Women and man in deep sorrow

Trauern verboten?

Dësen Artikel gouf als Tribune Libre ënnert der Rubrik Zu Gast am Lëtzebuerger Land verëffentlecht.

Wenn es ein Wort gibt, das niemand im Rahmen einer Schwangerschaft hören will, dann ist es mit weitem Abstand das Wort Fehlgeburt. Für die meisten Menschen ist eine Schwangerschaft eine freudenreiche Erfahrung. Es wird dem neuen Familienmitglied entgegengefiebert, Vorbereitungen werden getroffen und vor allem wird die eigene Freude mit Freunden, Verwandten und Kollegen geteilt. Doch leider endet nicht jede Schwangerschaft damit, dass man sein Kind am Ende in die Arme schließen kann. Leider kann sie auch in einem persönlichen Albtraum enden, einem Alptraum, in dem man in Luxemburg viel zu oft mit seiner Trauer und Angst allein gelassen wird.

Es fängt damit an, dass die Art und Weise, wie den werdenden Eltern mittgeteilt wird, dass es sich um eine Fehlgeburt handelt, arg zu wünschen übriglässt und es kein direktes Betreuungsangebot gibt. Noch schlimmer, Frauen, die von einem spontanen Abort betroffen sind, werden eher noch auf eine drohende Curetage hingewiesen als auf die Möglichkeit von psychologischer Betreuung. Es werden je nach Situation Tabletten verschrieben, die Zuhause eingenommen werden sollen, um einen künstlichen Abort auszulösen, und damit soll das Kapitel abgeschlossen sein.

So wird den betroffenen Eltern auch im luxemburgischen Arbeitsgesetzbuch keine Möglichkeit der Trauer zugestanden. Die Sonderurlaube gelten nur für „geborene” Kinder, wobei Totgeburten zwar abgedeckt werden, Fehlgeburten und Aborte vor dem sechsten Schwangerschaftsmonat aber nicht. Das muss sich ändern. Trauer braucht Zeit und Raum. Aktuell wird von den Trauernden aber erwartet direkt wieder zu „funktionieren”, wieder in den Alltag zu finden.

Eine Welt, in der vielleicht schon ein gestrichenes Kinderzimmer zu Hause auf den Familienzuwachs wartet und zumindest vorerst nun doch leer bleiben muss, ist aber alles andere als „Alltag”. Die psychologischen Folgen eines solchen Verlustes dürfen nicht unterschätzt werden. Jeder geht mit einem solchen Verlust anders um. Manche verarbeiten das Geschehene schnell, andere faden in ein tiefes Loch, aus dem sie nicht aus eigener Kraft wieder herausfinden, während sie sich teilweise sogar selbst die Schuld an ihrem Verlust geben. In solchen Fällen ist professionelle Hilfe wichtig. Es kann nicht erwartet werden, dass Paare oder Frauen, die eine Fehlgeburt erleben, bereits über alle psychologischen Unterstützungsmöglichkeiten informiert sind. Deshalb ist es wichtig das Thema breit zu diskutieren und offen auf Betroffene zuzugehen – aber das ist nicht so einfach. Fehlgeburten sind immer noch ein Tabu-Thema.

Dass der Thematik der Fehlgeburten immer noch ein starkes Tabu anhängt, ist besonders verwunderlich, weil statistisch gesehen bis zu jeder zweiten Frau in ihrem Leben eine Fehlgeburt erlebt. Es handelt sich also keineswegs um ein Nischenthema. Viele Frauen und auch viele Männer erleben den Schmerz, den ein verlorenes Kind bedeutet und deswegen müssen wir dieses wichtige Thema endlich offen thematisieren. Warum raten wir Frauen immer noch, vor dem dritten Schwangerschaftsmonat ihre Schwangerschaft nicht bekannt zu geben, damit sie dann im Falle einer Fehlgeburt nicht über den Verlust sprechen müssen? Warum raten wir im Gegenteil nicht jedem offen über das Thema zu sprechen?

Viele waren und sind betroffen und haben wieder Hoffnung gefunden. Auch meine Frau und ich haben in der Vergangenheit einen solchen Verlust erlebt und getrauert; trauern ist wichtig und heilsam!